<html>
<head>
<meta http-equiv="content-type" content="text/html; charset=utf-8">
</head>
<body text="#000000" bgcolor="#FFFFFF">
<br>
<small>> “I was born into a world on the cusp of avoidable
disaster,†he wrote in “Five Germanys.†He added, “The fragility
of freedom is the simplest and deepest lesson of my life and
work.†<<br>
</small><br>
<a class="moz-txt-link-freetext"
href="http://www.nytimes.com/2016/05/19/books/fritz-stern-a-leading-historian-on-modern-germany-dies-at-90.html">http://www.nytimes.com/2016/05/19/books/fritz-stern-a-leading-historian-on-modern-germany-dies-at-90.html</a><br>
-------------------------------------------------------------<br>
<br>
<small>> Fritz Stern war 73 Jahre alt, als er 1999 den
Friedenspreis des deutschen Buchhandels entgegennahm. In seiner
Dankesrede legte der Historiker ein erstaunliches Bekenntnis ab:
Um seine Lebensarbeit der deutschen Geschichte zu widmen, habe er
eine Art Entnazifizierung durchmachen müssen. Er musste „die
Überzeugung gewinnen, dass deutsche Geschichte nicht aus der
Perspektive von 1945 allein beurteilt werden kann“ ...<br>
<br>
... Zu Henning Ritter, dem 2013 verstorbenen Gründungsredakteur
der geisteswissenschaftlichen Beilage dieser Zeitung, sagte Stern
1987, es gebe nicht nur materielle Interessen, sondern auch
psychische. „Die einen sind meist klarer als die anderen -
verschwiegen werden oft beide.“ Historische Aufklärung blieb für
Stern Selbstaufklärung. Er schrieb Memoiren und legte sie als
Porträt des Landes an, das seine Familie vertrieben hatte,
allerdings als Vexierbild, mit dem Landesnamen in einem Plural,
den die deutsche Übersetzung nicht gut übernehmen konnte: „Five
Germanies I Have Known“ ...<br>
<br>
... Wie weit der Historiker gehen kann im Vergleichen, das heißt:
im provisorischen Übereinanderlegen modellhafter Konstellationen,
zeigt Fritz Sterns so kühnes wie beiläufiges Wort, er sei erst
durch so etwas wie eine Entnazifizierung zum Historiker geworden.
Die Entnazifizierungspolitik der Besatzungsmächte wollte unter den
politisch mündigen Deutschen die aktiven Nazis aussortieren, die
Täter aus Überzeugung. Sterns Einsicht, dass aus der Erfahrung der
totalen Zerstörung der eigenen Welt eine Überschätzung der Macht
der zerstörenden Kräfte erwachsen konnte, bezeichnet auf den
ersten Blick ein Phänomen reiner Passivität, eine Prägung im
existentiellen Sinne. Aber wenn das bürokratische Programm der
Entnazifizierung an einem naiven Begriff von innengeleiteter
Aktivität gescheitert ist, so wollte Stern wohl umgekehrt
andeuten, dass die Einseitigkeiten der auf Opferseite entwickelten
Erklärungen nicht als pathologisch abgetan werden können.
Intellektuelle Energie ging in sie ein, die sie zu Gegenständen
von Kritik und Selbstkritik machte. </small>
<p><small>Der Historiker und Schriftsteller Per Leo hat kürzlich im
„Merkur“ mit Blick auf die jüngste Heidegger-Debatte
vorgeschlagen, mit dem Begriff des Nationalsozialismus nicht
mehr ein ideologisches Programm zu verbinden, sondern die
Gesamtheit der durch Hitlers Machtübernahme gegebenen epochalen
Bedingungen, denen sich alle Deutschen, die nicht Opfer wurden,
durch Bewirtschaften des eigenen Ideenvorrats anpassen konnten.
Den Begriff so weit zu fassen, dass auch ein Fritz Stern den als
Epochenerfahrungshorizont verstandenen Nationalsozialismus
überwinden musste, um über Einstein und Adenauer zu schreiben,
und diese Selbstüberwindung dann auf die Formel der
Entnazifizierung zu bringen, ist eine Volte, die eines Heine
würdig ist. Im deutschen politischen Bewusstsein gilt das
alliierte Projekt der Entnazifizierung allgemein als
gescheitert. Indem Stern das Wort in die eigene Biographie
einschmuggelte, gab er als patriotischer Bürger der Vereinigten
Staaten vielleicht auch zu bedenken, dass der Gemeinplatz
revisionsbedürftig sein könnte.</small></p>
<small> </small>
<h2><small><small>Warnung vor politischer Religiosität</small></small></h2>
<small> </small>
<p><small>Im New Yorker Leo-Baeck-Institut zitierte Stern 2005 aus
einem Brief, den ihm Carl Friedrich von Weizsäcker zwei
Jahrzehnte vorher geschrieben hatte. Der Physiker bekannte, er
habe nie an die Nazi-Ideologie geglaubt, sich aber von der
Bewegung verführen lassen, die ihm wie „eine Ausgießung des
Heiligen Geistes“ erschienen sei. Im Rückblick meine er, der
Nationalsozialismus sei Teil eines Prozesses gewesen, den die
Nazis selbst nicht verstanden hätten. Das sind gängige Figuren
der Distanzierung, wie Per Leo sie analysiert. Gleichwohl gab
Stern von Weizsäcker recht: „Die Nazis haben nicht begriffen,
dass sie Teil eines historischen Prozesses waren, in dem das
Ressentiment gegen die Entzauberung der Welt Zuflucht in
Ekstasen der Unvernunft fand.“</small></p>
<small> Fritz Stern bewunderte die deutsche
Vergangenheitsbewältigung, aber er sah mit Unbehagen, dass in
ihren Formen eine politische Religiosität wiederkehrte, die mit
seinem amerikanischen Liberalismus nicht vereinbar war. Warum
kamen die Lichterketten ohne Reden aus? Wer sich engagiert, muss
das Wort ergreifen. Mit Genugtuung sah Stern die publizistische
Alterskarriere Helmut Schmidts. Und noch vor wenigen Tagen hat er
sich gegen den europäischen Asylhandel mit der Türkei geäußert.
Nun ist er verstummt ... <<br>
<br>
</small><a class="moz-txt-link-freetext"
href="http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/fritz-stern-zum-tod-des-historikers-und-grossen-liberalen-14240231.html">http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/fritz-stern-zum-tod-des-historikers-und-grossen-liberalen-14240231.html</a><br>
<br>
<br>
</body>
</html>