FWD: FAZ about Benjamin's death, Part One (in German)

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Sun Jun 24 09:20:59 CDT 2001


Okay, okay, in two parts...
A report of the "Frankfurter Allgemeine Zeitung" about the rumours that 
Walter Benjamin was killed by Stalinist agents. Could anyone translate it?

Kurt-Werner Pörtner
  

Neue Mutmaßungen über Walter Benjamins Tod rühren an alte Ungwißheiten 

Wurde Walter Benjamin ein Opfer von Stalins Agenten?


Jeder Versuch, das festgefügte Bild von Walter Benjamin zu verändern und zu 
stören, kommt einem Sakrileg gleich. Das gilt zumal für seine letzten Tage, 
die Flucht über die Pyrenäen nach Port Bou, wo sich Benjamin das Leben 
genommen hat, als er befürchten mußte, zurückgeschickt zu werden und der 
Gestapo in die Hände zu fallen. Dieser Tage hat die amerikanische Zeitschrift 
"The Weekly Standard" (6. Jg., Heft 37) unter dem Titel "Der mysteriöse Tod 
Walter Benjamins" eine Geschichte veröffentlicht, die ein ganz anderes Drama 
erzählt: "Es wird weithin angenommen, daß der berühmte kritische Theoretiker 
auf der Flucht vor den Nazis Selbstmord begangen habe. Wurde er in 
Wirklichkeit von Stalins Agenten ermordet?" Der Autor Stephen Schwartz ist 
nach Ausweis seines Aufsatzes kein Benjamin-Kenner. So läßt er ihn 
beispielsweise in den frühen dreißiger Jahren mit Otto Katz, einem Agenten 
Stalins, regelmäßig Poker spielen und macht sich auch sonst nicht die Mühe, 
seine Mutmaßungen über Benjamins Abwendung vom Kommunismus und über seine 
früheren Beziehungen zur Partei zu belegen.

Schwartz zeichnet statt dessen ein dramatisches Bild von der Lage in der 
unbesetzten Zone Frankreichs, wo im Schutz des Hitler-Stalin-Paktes Moskauer 
Agenten mit der Gestapo zusammenarbeiteten oder auf eigene Faust, wo sie nur 
konnten, mit den vielen Abtrünnigen der Partei und Feinden Stalins 
abrechneten. Schwartz nennt viele Namen, von denen freilich kaum einer in die 
unmittelbare Nähe Benjamins führt. Doch zu Benjamins Bekannten gehörte Arthur 
Koestler, sein Wohnungsnachbar in Paris, mit dem er sich, nach dessen 
Zeugnis, häufiger getroffen hat. Koestler hatte der Kommunistischen Partei 
1937 den Rücken gekehrt. Im Spanischen Bürgerkrieg nur knapp der Hinrichtung 
entgangen, schrieb er sein sensationelles Buch "Spanisches Testament" und 
gehörte bald zu den einflußreichsten kommunistischen Renegaten der Epoche. 
Seine Begegnung mit Benjamin fiel in die Zeit, als er in Zeitschriften und 
Zeitungen Aufsätze gegen Stalin und Hitler zu publizieren begann. Er war mit 
Benjamin so vertraut, daß dieser bei ihrer letzten Begegnung seinen Vorrat an 
Betäubungspillen mit ihm teilte. Koestler soll auch, so will es Schwartz, als 
er vom Selbstmord Benjamins erfuhr, selbst einen gescheiterten 
Selbstmordversuch unternommen haben. Doch welche Geheimnisse die beiden 
ausgetauscht haben mögen, ist aus alldem nicht zu erraten.

Nicht besser begründet als diese vagen Mutmaßungen sind die Zweifel, die 
Schwartz am Selbstmord Benjamins hat. Die Umstände waren in der Tat 
merkwürdig und sind bis heute nicht geklärt. Der Arzt, der Benjamin 
untersuchte, nannte Gehirnblutung als Todesursache, weder von Drogen noch von 
Selbstmord war damals die Rede. Die Selbstmordthese beruht allein auf dem 
Zeugnis von Henny Gurland, die Benjamin begleitet hatte. Ihr soll er gesagt 
haben, er habe eine große Dosis Morphium genommen, und ihr vertraute er auch 
einen Brief an, den sie nach der Lektüre vernichten und dessen Inhalt sie 
Adorno übermitteln sollte. Der von Henny Gurland aus dem Gedächtnis 
rekonstruierte Brief hat seinen Adressaten erreicht und gilt als Benjamins 
Abschiedsbrief. Schwartz wundert sich, daß er französisch abgefaßt ist. Er 
weiß offenbar nicht, daß Benjamin seinen Briefwechsel mit seinen Freunden in 
den letzten Monaten auf französisch führte - um es der Zensur leichter zu 
machen, wie er einmal schrieb.

 



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