Prüfstand 7
Otto
ottosell at yahoo.de
Mon Nov 11 04:47:36 CST 2002
Tonight at German TV - 22.55 Uhr, 3sat:
Die Enden der Parabel
Ein Erlebnisbericht über die turbulenten Dreharbeiten zu "Prüfstand 7"
Neben dem von Thomas Pynchons Pennemünde-Roman "Gravitys Rainbow"
inspirierten Journalisten, der ich ebenso wie der Regisseur bin, sollte ich
an einer Stelle auch noch einen amerikanischen Offizier spielen.
Es handelte sich dabei um eine Partyszene - auf dem Orginalschauplatz:
"Truman-Villa" in Potsdam-Babelsberg, wo die vier Besatzungsmächte den Sieg
feiern. Die Villa liegt am See, und dort will Pynchons Romanheld Slothrop -
als "Rocketman" verkleidet - einen dicken Klumpen Haschisch im Garten der
Villa ausgraben. Dabei sieht ihn die Hauptdarstellerin, die die Party
verlasst hat und auf die Veranda getreten ist. Einer der amerikanischen
Offiziere - ich - ist ihr jedoch gefolgt. Da aber die amerikanische Uniform
5.000 Mark kosten sollte, hatte sich der Produzent auf die Schnelle für eine
russische Uniform entschieden: für eine weiße, wie sie Stalin immer gern
getragen hat. Mit und von dieser Uniform angetan, folgte ich also der Dame
auf die Veranda, was später rausgeschnitten wurde, so dass man leider nur
noch sieht, wie ich aus einem alten Beute-Mercedes steige und die
Empfangstreppe hinaufgehe, wo mich die Gastgeberin begrüßt. Sie besaß einen
Hund, und dieser spielte ebenfalls mit - auf der Empfangstreppe.
Er machte das hervorragend: Während wir - Menschen - mehrmals die Treppe
raufgehen und uns begrüßen mussten, klappte es bei ihm - dem Hund - auf
Anhieb. Während dieser ganzen Drehnacht in, neben und hinter der
Truman-Villa, die gerade von der Friedrich-Naumann-Stiftung der FDP gekauft
und sauteuer renoviert worden war, weswegen dort dann auch ein Aufpasser von
der Stiftung die Dreharbeiten verfolgte, hielten immer wieder Autos mit
jungen Leuten vor der Villa, sie guckten kurz - und brausten wieder davon.
Es schien sich an ihrem nächtlichen Tankstellentreff herumzusprechen, dass
da lauter fancy angezogene Menschen laufend aus chauffeurgesteuerten
Oldtimern steigen würden, um eine wilde, bewaffnete Russenparty zu feiern.
Die neugierigen jungen Menschen, die vor der Villa hielten, wurden immer
mehr und sahen immer neonazistischer aus. Aber wir dachten uns nichts Böses
dabei und hofften bloß auf ein Ende des nächtlichen Drehs, der sich endlos
hinzog, weil es angeblich unten am See noch Probleme mit dem Schiff und
einem Jeep gab - was dann nachher ebenfalls rausgeschnitten wurde. Erst um
drei Uhr konnten wir nach Hause. Später erfuhren wir, dass jemand ein paar
Stunden später die Truman-Villa angezündet hatte. Sie war bis auf die
Grundmauern niedergebrannt. Nun ist sie aber schon wieder rekonstruiert -
und zwar schöner denn je. Am Potsdamer Badesee erfuhr ich im Sommer, dass
die Brandstiftung inzwischen zu den Großtaten der rechten Potsdamer
Politszene zählt und Vorbildfunktion hat: Man will dort mit allen Villen der
Westalliierten so verfahren. Das steht aber alles schon in Pynchons
V2-Roman: "Die Enden der Parabel - se touchent." HELMUT HÖGE
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