# 9/11 in literature: peter rühmkorf

lorentzen-nicklaus lorentzen-nicklaus at t-online.de
Wed Sep 11 03:51:55 CDT 2002



 + in the feuilleton of today's 'frankfurter allgemeine zeitung' there's, among 
other things, peter rühmkorf's journal-entry from the day that changed our 
western perception of the world. peter rühmkorf, born in 1929, can be seen as 
hamburg's first poet and the grand wizzard of german diary-writing (cf. "tabu 1: 
tagebücher 1989-1991", reinbek bei hamburg 1995: rowohlt). the entry's truly 
felt ambivalence is touching; and the brecht-sample ("... in houses considered 
to be indestructible/so we have built the long boxes on the island manhattan 
...") evokes spooky sentiment:

°° 11. sept. 2001. --- 12h30 [???] auf dem weg zum zeitschriftenkiosk möbius 
getroffen, der mit ausgestrecktem krückstock auf mich zugeflattert kam: "heute 
haben sie 'deine freunde' angegriffen - alles kaputt - in trümmern - die twin 
towers - das pentagon - manhattan - eine einzige qualmende wüste". sofort 
kehrtgemacht und die kuckkiste angeschmissen, und da rasierte es auch schon den 
ersten turm weg, rumms, zack, qualm und flammen, und im gegenzug gleich noch den 
zweiten, absolut unglaublich, reines kino, "apocalypse now" usw., und bei jedem 
weiteren klick immer wieder die gleichen bilder auf allen kanälen. was das auge 
nicht fassen kann, sucht im kopf sofort nach vergleichbaren bildern oder 
allegorien. "turmbau zu babel" z.b., hieronymus bosch, ja da hat sich jemand 
über sich hinaus und zu weit in den himmel gewagt, aber in einer weltlichen 
anwandlung dann auch gleich: they wanted it and they got it. heißt auf deutsch, 
wer vermag in der welt so viel hass aufzurühren, um solche infernalischen blitze 
auf sich zu lenken. als die ersten kommentatoren zu sabbern beginnen, "eine 
feige terroraktion", "feiger angriff auf zivilisten" pp allerdings auch gleich 
eine gegenwendige schraube sich oben in bewegung setzen gefühlt: wieso "feige"? 
alles mögliche andre, gewiss, todesmutig, todeswütig, religionsverrückt, eine 
lebensverachtung aus inferiotätsgefühlen und hirnrissigen jenseitsvorstellungen, 
aber "feige"? --- das doch wohl am allerletzten.

 in momenten der absoluten begriffsstutzigkeit immer noch die literatur - an 
erster stelle die lyrik - der sicherste zeitenübergreifende zeitanzeiger. sofort 
noch mal im brecht nachgeschlagen, "vom armen b.b.", und, allerdings --- da 
steht es schon ziemlich deutlich an den himmel geschrieben:

    "wir sind gesessen, ein leichtes geschlechte,
     in häusern, die für unzerstörbar galten.
     (so haben wir gebaut die langen gehäuse des eilands manhattan
     und die dünnen antennen, die das atlantische meer unterhalten."

 sich anschließender gedanke: man soll die dinge vielleicht nicht zu eng, man 
soll sie ruhig mal apokalyptisch sehen. und da kommt es dann ja auch gleich: 
"von diesen städten wird bleiben: der durch sie hindurchging der wind!" 
eigenartige stelle (bzw. seltsame stimmungsvermerkung) auch in schillers 
"glocke" nachzulesen, die manchen mitschülern unbegreiflich war, aber mir in der 
erinnerung an den hamburger feuersturm im letzten krieg doch irgendwie 
einleuchtend erschien: s. feuerszene, 4. aufzug, 3. take:

     "hoffnungslos
      weicht der mensch der götterstärke,
      müßig sieht er seine werke
      und bewundernd untergehen."   

englische flugblätter, zeitgleich über norddeutschland abgeworfen: 
"wer hass säht, wird rache ernten". und auch das.

 glaubte, die towers vor kurzem noch komplett und in sehr sonderbarem 
zusammenhang im "hamburger abendblatt" gesehen zu haben und blätterte 
zeitungsausrisse, abt. wirtschaft durch. kaum begreifliches himmelswunder , 
ausgabe vom 30. august. weit ausgezogene buntdrucksilhouette von new york und 
darüber von der firma "skytypers" auf den blauen fond gesprayt: "move-back. com. 
back to germany". unterschrift: "eine himmlische rückrufaktion". war als 
rückwerbung von deutschen it-experten in den usa gedacht, aber wo ein gewisser 
beziehungswahn schon mal raum gegriffen [and on these p-list shores this is 
always already the case....kfl], denkt man sich gleich allesmögliche. 
beispielsweise an vorwarnung für die in den towers arbeitenden komplizen u. 
gesinnungsgenossen. kurzes erwägen, mal schnell fbi oder cia anzutickern, aber 
unterhalte ja keine beziehungen und habe auch keine adressen.

 späte nacht, ohgott, bush, auch wieder mit seinem redundanten "coward  - 
cowardly - coward". so caligulazüge oder, richtiger vielleicht, einer von den 
apokryphen soldatenkaisern. ein paranoiasystem beginnt auf das andere 
überzugreifen. bitte an ein "friedeliebendes teutschland", doch ein klein 
bisschen abstand zu wahren. °°
 

                    
                         peace on earth! kai (daily diary-writer) *





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