Nabokov and Pynchon
Otto
ottosell at yahoo.de
Wed Jun 11 08:26:00 CDT 2003
So läßt sich etwa eine direkte Linie ziehen zwischen Shades Gedicht von 1958
über das Wesen der Elektrizität und seiner literarischen Ausbuchstabierung
durch Nabokovs Schüler Thomas Pynchon. Shades Gedicht beginnt mit der Idee
unsterblicher Seelen, die sich in den Leuchtfäden der Glühlampen erhalten
und tradieren:
Die Toten, die sanften Toten - wer weiß? -
Beharrn vielleicht in Wolfram-Filamenten,
Und auf dem Tisch an meinem Bette brennt
Die verblichene Braut eines andern.
Und so überrascht es vielleicht etwas weniger, zwischen die Parabelbögen
eine Geschichte von Byron der unsterblichen Birne eingeschaltet zu sehen.
Noch in den frühen Werbeschriften der angehenden elektrotechnischen
Großkonzerne wird der Glühfaden, das Wolfram-Filament, der elektrischen
Lampen als "Seele" bezeichnet. Doch während die AEG sich vor dem ersten
Weltkrieg der Langlebigkeit und robusten Qualität ihrer Leuchtprodukte
rühmt, herrscht spätestens nach ihrer Verschmelzung 1919 mit Siemens und der
Auergesellschaft zum Osram-Konzern eine andere Firmenstrategie vor. Zwar
bleibt sich die Propaganda gleich, die dem Lichtkonsumenten und Bürger immer
bessere Produkte suggeriert. Gleichzeitig jedoch unternehmen nicht nur die
deutschen Glühlampenproduzenten erhebliche Anstrengungen, um die Brenndauer
einer jeden Birne auf Werte zu reduzieren, die ihrer Ökonomie zuarbeiten und
nicht dem vorgeblichen Wohle des Verbrauchers. Die Bestrebungen gipfeln im
wirtschaftgeschichtlich ersten weltweiten Kartell namens Phöbus, das zum
Fest des Lichts 1924 die Brenndauer aller Glühlampen global und ein für
allemal auf 1000 Stunden festlegt.Das werkseitig eingebaute Sterben der
Seele, wird indes von einigen wenigen, unsterblichen Glühlampen unterlaufen,
deren technische Parameter dank einer
glücklichen Fügung die geplanten Sollbruchstellen entbehren und so als
lebenslanger, d.h. ewiger Feind von Phöbus auftreten. Von den raffinierten
Kontrollmechanismen und Kampftaktiken des Glühlampenkartells gegen Byron und
seine revolutionierenden Schwestern und Brüder erzählt Thomas Pynchon, indem
er John Shades transzendentale Erleuchtung im Wesen der Elektrizität in eine
unmetaphysische Phänomenologie und technikgeschichtliche Wirklichkeit
übersetzt.
Ver(b)rannt im Fahlen Feuer
Ein Karteikartenkommentar
von Markus Krajewski
http://www.verzetteln.de/krajewski_fahlesfeuer.pdf
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