ATD Unterhändler der Gigantomanie
Otto
ottosell at googlemail.com
Tue Nov 21 14:49:12 CST 2006
A review of the reviews: the author defends the novel against voices
like Michiko Kakutani and Laura Miller:
Sebastian Moll: THOMAS PYNCHON -- Unterhändler der Gigantomanie
Thomas Pynchon galt als James Joyce unserer Zeit. Jetzt soll er
plötzlich ein schlechter Autor geworden sein? Nur weil es elf Jahre
gedauert hat, bis er ein weiteres monumentales Werk vorgelegt hat, das
zu lesen Kritiker keine mehr Zeit haben? Ein großer Fehler, findet
unser Autor Sebastian Moll.
"Nimmt man die Reaktionen der Literaturkritik auf den elf Jahre lang
erwarteten neuen Roman von Thomas Pynchon "Against the Day" als
Gradmesser, dann hat Amerika eindeutig keine Geduld mehr für
Avantgarde. "Gravity's Rainbow" von 1977 - das Opus Magnum des
mysteriösen Autors, den außer seinem mittlerweile verstorbenen
Literaturprofessor Vladimir Nabokov nur wenige je gesehen haben - wird
bis heute als paradigmatisches Werk der Postmoderne gefeiert und an
Hochschulen gelehrt; Pynchon wurde in den Achtziger und bis in die
Neunziger Jahre hinein als der James Joyce unserer Zeit gefeiert.
Jetzt hat man seine Faxen jedoch offenbar satt. Die "New York Times"
beschwerte sich, dass die Tricks und Schachzüge auf den 1085 Seiten
von "Against The Day" allzu vertraut seien. Pynchon, so die Kritikerin
Michiko Kakutani, nerve mal wieder mit Unter-Handlungen und
Unter-Unter- Handlungen und Unter-Unter-Unter-Handlungen, mit sich
auflösenden Charakteren, narrativen Sackgassen, mit Sperrigkeit und
vor allem mit seiner selbstgefälligen Gigantomanie. Nachdem er in
seinem letzten Werk "Mason and Dixon" viele schlechte Gewohnheiten
abgelegt und seinen Figuren sogar so etwas psychologische Tiefe
gegönnt hatte, so Kakutani, sei der Meister nun wieder tief in alte
Muster verfallen, von denen man eigentlich die Nase voll habe.
Das Internet-Magazin "Slate" haut in dieselbe Kerbe. Intellektuelle
Tiefe, schreibt Laura Miller dort, sei auch zu haben, ohne den Leser
derart zu malträtieren. Autoren wie David Foster Wallace oder Neal
Stephenson hätten demonstriert, dass es möglich ist, gleichzeitig die
Welt zu erklären und eine gute Geschichte zu erzählen. Pynchon, so
Miller, werde von seinen eigenen Nachahmern bei seinem eigenen Spiel
geschlagen.
Das hört sich so an, als wäre Pynchon nicht dazu im Stande, sein
monumentales Romangebäude zusammen zu halten, als würden ihm die
zahllosen Erzählstränge und miteinander verwobenen Figuren, die
Zeitsprünge und die Theorieversatzstücke schlicht entgleiten. Eine
etwas seltsame Kritik an einem Schriftsteller, der vor 30 Jahren dafür
gelobt wurde, das komplexeste Erzählgebäude aller Zeiten geschaffen zu
haben. Ein Gebäude, dessen Erforschung Heerscharen von
Literaturwissenschaftlern ihre gesamte Karriere widmen."
SPIEGEL ONLINE - 21. November 2006, 19:16
URL: http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,449944,00.html
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