np Paul Auster-interview

Otto ottosell at googlemail.com
Thu Nov 6 09:44:15 CST 2008


"Mann im Dunkel"
Der amerikanische Schriftsteller Paul Auster zur US-Wahl
Paul Auster im Gespräch Denis Scheck, 04.11.2008

Der Schriftsteller Paul Auster hält es für bemerkenswert, dass ein
Schwarzer Präsidentschaftskandidat einer der beiden großen Parteien
des Landes werden konnte. So etwas hätte es noch nie gegeben. Als
Obama nominiert wurde, habe ihn das mit Stolz erfüllt, so Auster im
Vorfeld der US-Wahlen.
(...)
Scheck:  In meinen Augen ist "Mann im Dunkel" Ihr politischster Roman.
Sie haben einmal erklärt, im Jahre 2000 habe Ihre Welt, Ihre
Wirklichkeit einen Irrweg beschritten. Was war der Auslöser dieses
Gedankens?

Auster: Ich spreche von den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im
Jahr 2000. Tatsache ist, dass Al Gore zum Präsidenten gewählt wurde.
Er hat die Wahlen gewonnen. Das weiß auch jeder. Durch politische und
juristische Tricks haben die Republikaner die Wahlen gestohlen. Der
Oberste Gerichtshof hat das durch das empörendste Urteil in der
Geschichte des Landes abgesegnet. Und ich kann Ihnen gar nicht sagen,
wie deprimiert ich an dem Tag war, als dieses Urteil verkündet wurde
und Al Gore aufgab. Ich war so am Boden zerstört wie an dem Tag, als
mein Vater starb. Ich bin in ein tiefes schwarzes Loch gefallen. Ich
hatte das Gefühl, mein Amerika unwiederbringlich verloren zu haben.
Wenn ein Idiot wie Bush die Geschicke des Landes lenkt, dann muss dies
zu schlimmen Dingen führen. Während ich also in den letzten acht
Jahren ein Desaster nach dem anderen miterlebt habe, machte sich in
mir der Gedanke breit, dass wir nicht mehr in der realen Welt leben,
dass wir vom rechten Weg abgekommen sind, dass wir Gore gewählt, aber
nicht bekommen haben, sondern statt dessen diesen Idioten. In der
wirklichen Welt steht Al Gore am Ende seiner zweiten Amtszeit als
Präsident, wir haben den Irak nie besetzt, und der 11. September, ja
die Welt, in der wir heute leben und die Krise, in der wir uns heute
befinden, zu all dem ist es nie gekommen. Die Hauptfigur meines Romans
denkt sich nun aus, dass im Jahr 2000 einige Amerikaner so verstört
waren, dass sich einzelne Bundesstaaten von den USA abspalten und es
zu einem Bürgerkrieg kommt.
(...)

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