Pynchon mentions in Gumbrecht blog
Kai Frederik Lorentzen
lorentzen at hotmail.de
Sun Mar 13 04:28:39 CDT 2016
Stanford literary scientist Hans Ulrich Gumbrecht, "unser Mann in
Amerika" as Sloterdijk once introduced him on TV with a touch of irony,
reports how a group of his students is searching for the best novels of
the 20th century and finds, among others, --- /Gravity's Rainbow/.
> ... Entgegen der auf den Verlauf von Handlungen ausgerichteten
Tradition der Gattung kehrt die Detailbesessenheit dieser Autoren
[Joyce, Musil, Proust - kfl] mit dem Heraufbeschwören jeweiliger Welten
zu einer epischen Breite zurück, deren Komplexität ihren Lesern oft den
Zugang erschwert – solange es es ihnen nicht gelingt, die Roman-Welten
zu einer eigenen imaginären Heimat zu machen.
Aber woher kommt die Besessenheit jener intensiven Beschreibung und
raum-zeitlichen Konzentration, auf die wir bis zum Ende des zwanzigsten
Jahrhunderts bei einigen herausragenden, aber oft nur wenigen
Spezialisten vertrauten “Romanen” in verschiedenen nationalen Kontexten
stoßen? In Döblins “Berlin Alexanderplatz” etwa, in Célines “Reise zum
Ende der Nacht,” in der “Zeit des Schweigens” des Spaniers Luis Martín
Santos, im “Horcynus Orca” des Italieners Stefano d’Arrigo, im “Grande
Sertao” von Joao Guimaraes Rosa aus Brasilien, und noch 1973 in
“Gravity’s Rainbow,” dem Meisterwerk des Amerikaners Thomas Pynchon.
Anglo-amerikanische Kritiker stellen diese Texte gerne in die Tradition
der “hohen Moderne” aus dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, wenn sie in
ihnen je nationale “Antworten” auf den “Ulysses” von James Joyce sehen.
Mit der Geschichte der großen realistischen Romane des neunzehnten
Jahrhunderts, mit Flaubert, Fontane oder Tolstoj, sind sie — trotz ihrer
Tendenz zur epischen Komplexität — verbunden über den leidenschaftlichen
intelellektuellen und literarischen Kampf mit der Herausforderung, gegen
bis eine bis zum Nullpunkt schwindende Evidenz die Möglichkeit einer
objektiven Erfassung oder Vergegenwärtigung von “Welt” außerhalb des
Bewusstseins zu erhalten ...
...
Fünfundvierzig Jahre später, in einer Gegenwart, die uns auferlegt und
längst daran gewöhnt hat, mit allen möglichen “sozialen Konstruktionen
von Wirklichkeit” und Computer-generierten “Simulationen” recht oder
schlecht zu leben, habe ich meine nicht einmal zwanzigjährigen und in
diese Welt ohne sicheren Wirklichkeitshalt geborenen Studenten gefragt,
welche der siebzehn gelesenen Romane sie am meisten beeindruckt haben.
Das führte zu einem Unentschieden zwischen zwei Texten der
über-anspruchsvollen Hochmoderne (“Ulysses” und “Gravity’s Rainbow”) und
jenen drei anderen Texten auf unserem Programm, die für das nicht selten
mit dem Begriff der “Postmoderne” assoziierte Erzählen – für das
Erzählen auf Distanz vom Kampf um die Wirklichkeit — stehen (Toni
Morrisons “Beloved” von 1987, Haruki Murakamis “Mister Aufziehvogel” aus
den Jahren 1994/1995, und das 2009 veröffentlichte großartige “Book of
the Dead” des südafrikanischen Autors Kgebetli Moele). Ich war erstaunt
über dieses Ergebnis – und habe es noch gar nicht richtig geschafft, mir
einen Reim darauf zu machen. Denn anders als ich fassen meine Stundenten
die nicht nur sie hoffnungslos überfordernden Romane des “Ulysses”-Typs
ja keineswegs als Werke ihrer eigenen Gegenwart auf. Was beeindruckt sie
dann? Zum einen wohl ihre monumentale Schreib-Vollkommenheit, die ihnen
ein Gefühl von Erhabenheit gibt, gerade weil die Text für das Verstehen
undurchdringlich bleiben. Zum anderen erleben meine jungen Hörer wohl
eine in den größten Romanen ihrer unmittelbaren Vergangenheit
aufgehobene Leidenschaft des Kampfs um die Wirklichkeit, welche nicht
mehr ihre eigene ist – und um deren Intensität sie uns Ältere manchmal
beneiden.
Ihre Begeisterung für Joyce und Pynchon kommt also aus der Distanz einer
Retrospektive, wie sie Lesern meiner Generation gar nicht zugänglich ist
...<
http://blogs.faz.net/digital/2016/03/12/was-sind-die-groessten-romane-des-zwanzigsten-jahrhudnerts-993/
Good to hear that young students still can be put on fire by /Gravity's
Rainbow/!
Unfortunately Gumbrecht, who has worked on such interesting and diverse
topics as systems theory in the humanities, Heidegger or sports, tends
to be sloppy and superficial in his more theoretical writings. He is
said to be an authority in the field of Spanish literature, though.
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