Stingl interview

Jochen Stremmel jstremmel at gmail.com
Mon Oct 15 03:53:37 CDT 2018


>Da gibt ein Kapitän kurz vorm Ablegen des Schiffs den Befehl: „Single up
all lines!“ In der Übersetzung hatte ich mich damals darüber
hinweggemogelt. Viele Jahre später las ich „Das Boot“ von Lothar-Günther
Buchheim, und da kommt der Kapitän des U-Boots kurz vorm Ablegen an Bord
und sagt: „Alle Leinen los bis auf Spring!“ Und das ist genau das Kommando
aus dem Pynchon-Roman.<

Stingl is a good translator, but this is bullshit in more than one respect.


Am Mo., 15. Okt. 2018 um 09:14 Uhr schrieb Kai Frederik Lorentzen <
lorentzen at hotmail.de>:

>
> + ... Stellt sich manchmal heraus, dass Sie bestimmte Fragen, die Sie an
> ein Buch gestellt haben, erst Jahre später wirklich beantworten können?
>
> Ja, in der Tat. Ich habe mal durch Zufall herausgekriegt, was ein
> bestimmtes seemännisches Kommando bedeutet, das Thomas Pynchon<
> http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/thema/thomas-pynchon> in „Mason &
> Dixon“ benutzt hat. Da gibt ein Kapitän kurz vorm Ablegen des Schiffs den
> Befehl: „Single up all lines!“ In der Übersetzung hatte ich mich damals
> darüber hinweggemogelt. Viele Jahre später las ich „Das Boot“ von
> Lothar-Günther Buchheim, und da kommt der Kapitän des U-Boots kurz vorm
> Ablegen an Bord und sagt: „Alle Leinen los bis auf Spring!“ Und das ist
> genau das Kommando aus dem Pynchon-Roman.
>
> Ärgert Sie so etwas?
>
> Ja, ich glaube zwar nicht, dass einem Leser von „Mason & Dixon“
> aufgefallen ist, dass ich mich über diese Stelle hinweggemogelt habe, aber
> mich ärgert das schon. Eigentlich strebt man Perfektion an. Mich ärgern zum
> Beispiel auch Druckfehler, die stehengeblieben sind. Das sollte ja nicht
> sein, ist jedoch wohl nicht vermeidbar.
>
> Apropos „Mason & Dixon“. Das Buch hat mehr als tausend Seiten und ist in
> einer anachronistischen Sprache abgefasst. Wie lange sitzen Sie an so einer
> Übersetzung?
>
> Bei „Mason & Dixon“ weiß ich es ziemlich genau. Daran habe ich dreizehn
> Monate lang jeden Werktag gearbeitet. Wegen der Sprache des Romans, die
> nach achtzehntem Jahrhundert klingen soll, habe ich in dieser Zeit nur
> deutsche Bücher aus dieser Epoche gelesen. Ich wollte diesen Stil ohne viel
> nachzudenken und ohne große Mühe reproduzieren können. Das hatte
> schließlich Auswirkungen auf meine Alltagssprache. Mir wurde gesagt, dass
> ich merkwürdig rede.
>
> Haben Sie ein Beispiel?
>
> Mein Onkel und ich hatten damals eine politische Diskussion geführt, die
> immer hitziger wurde. Und dann ist mir der Satz rausgerutscht: „Onkel, Sie
> alterieren sich.“ Das habe ich tatsächlich gesagt, obwohl „Onkel, reg dich
> nicht so auf“ ja viel naheliegender gewesen wäre ... +
>
>
> http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buchmesse/uebersetzer-nikolaus-stingl-im-interview-zur-buchmesse-15827511.html
>
> --
> Pynchon-L: https://waste.org/mailman/listinfo/pynchon-l
>


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