NP Jonathan Littell - Les Bienveillantes (2006)

Kai Frederik Lorentzen lorentzen at hotmail.de
Sat Mar 1 05:10:11 CST 2008


 
Nice satirical piece by Rainald Goetz on the public talk of Cohn-Bendit ("Danny le Rouge") with
Littel that took place in Berlin the night before yesterday. Have fun!
 
Kai 
 
 
http://www.vanityfair.de/extras/rainaldgoetz/
 

Die Eumeniden 
Donnerstag, 28. Februar 2008, Berlin 

–Herr Obersturmbannführer! –Was wollen Sie? Dr. Max Aue hatte die noch rauchende Ruine des Theater am Schiffbauerdamm durch den hinteren seitlichen Bühneneingang an der Nordwestecke betreten gehabt. In der herrenseitigen Proszeniumsloge fand sich ein leerer Stuhl. Ich setzte mich. Von hinten hatte dem Aue dann Reichsführer SS auf die Schulter getippt gehabt und ihn gefragt: wann beginnen die Erschießungen hier? Ich glaube wir warten noch, sagte ich, bis auch die linksradikalen Kräfte aus der Deutschen Nationalzeitung und der Faz alle SS-Uniformen oft genug gedruckt abgebildet haben. Taz und Fr haben getan, was sie konnten. Wir können auch nicht zuviel von den Kommandos erwarten. –Jawoll, Herr Obersturmbannführer, sagte der Hauptmann, den ich plötzlich, im Licht der eben beginnenden Aufführung, als meinen alten Freund Jünger erkennen konnte. Wir gaben uns die Hand. Der Tod hatte dem Alten nichts von seinem arroganten Habitus der Kälte nehmen können. Das frühere Verständnis aus Vorkriegszeiten war sofort wieder da. Wir tauschten ein paar Belanglosigkeiten und neueste Schlammtheorien aus. –Haben Sie denn den aktuellen Theweleit auch gelesen, fragte Jünger. Im Zuschauerraum wurde es dunkel. Der kahl rasierte Schädel des Schauspielers Berkel, der in diesem Augenblick die Bühne betreten gehabt hatte, und seine schwarze SS-Röhre kontrastierten schön mit dem offenen weißen Hemd, das die letzten Spermaspuren kaum noch erkennen ließ. Berkel fing zu lesen an. Ich langweilte mich sofort. Die Übersetzung war schlecht. Der erste Satz war Mist. Ich bestellte augenblicklich den Wagen und ließ mich hinter die Bühne bringen. Daniel Cohn-Bendit lag schon nackt im Entmüdungsbecken und ließ sich von zwei jüngeren, sehr gut aussehenden Eumeniden die Brüste massieren. Das öffentliche Gespräch hatte Cohn-Bendit nicht ganz zum Orgasmus kommen lassen. Er hatte fast unterbrochen geredet, aber der unverschmämt gut und ebenfalls extrem jung aussehende Autor Littell hatte ihn dann doch immer wieder in genau dem Augenblick unterbrochen gehabt, in dem er fast gekommen wäre. Sie spritzen mir ja richtig ins Gesicht mit ihrem Schwachsinn, hatte Littell mit einem von innen geistig gekitzelten Lächeln auf den Lippen gesagt gehabt. Cohn-Bendit hatte sich die Hose zugemacht, die Hände tropften noch nach von der Lektüre. Auch Cohn-Bendit hatte mit großer Lust bekennen müssen, welche unmenschlichen Qualen er bei der Lektüre des ungeheuerlichen Buches auf sich habe nehmen müssen, da wären die Qualen, die Unterhauptstammleser Weidermann in der Fas über hunderte von Seiten und tausende von spermaverschmierten Toten hin auf sich genommen habe, nichts dagegen, hatte Cohn-Bendit stark gestikulierend betont und bekannt gehabt. Auf die entscheidende Frage, ob auch das Schreiben für ihn als Autor eine solche Qual gewesen sei, sagte der Autor Littell, ein sichtlich von der Lust des Denkens und des Textes erfüllter Mensch, höflicherweise: pas de réponse. Kurz darauf schlugen die morgen von der Volksbühne abgefeuerten schweren Granaten im Berliner Ensemble ein. Sie trugen den Titel: fuck off, Amerika. Aue, der alternde Ästhet, antwortete freundlich: welcome, crazy Frankreich.
> Date: Sat, 1 Mar 2008 05:18:39 +0100> From: ottosell at googlemail.com> To: pynchon-l at waste.org> Subject: NP Jonathan Littell - Les Bienveillantes (2006)> > "Die Wohlgesinnten" von Jonathan Littell> Kippe, Whiskey, Künstlerposen> > Klaus Theweleit verteidigte Jonathan Littell in der taz mit einem> Namen: Thomas Pynchon. In der Tat können "Die Wohlgesinnten" auf> einige Wunscherfüllungsfantasien treffen. Es wäre eben erschreckend> und faszinierend zugleich, einen Roman zu haben, der auf der> literarischen Höhe von "Gravitys Rainbow" alle Aspekte des> Nationalsozialismus enthält, inklusive Judenmord und> Bürokratieanforderungen. Gerade für Vertreter einer Generation, in> deren Jugend der Holocaust nur beredt beschwiegen wurde, muss die> Aussicht auf so einen Roman etwas Strahlendes haben. Es läge ja auch> eine Art Triumph darin, wenn die Literatur den Tätern die Perspektive> der Erzählung letztgültig vorschreiben könnte. Allein, "Die> Wohlgesinnten" sind dieser Roman eben nicht. In manchem hat Littells> Buch geradezu die Anmutung einer vormodernen Chronik. Das> festzustellen ist keinesfalls eine rein literaturtheoretisch fundierte> Mäkelei. Das hat Auswirkungen auf die innere Spannung des Romans.> Jonathan Littell hat viel Wissenswertes über Nationalsozialismus und> Holocaust hineingepackt, was eine große Leistung ist. Aber was in dem> Roman vorkommt und was nicht, hat auch etwas Beliebiges. Und dass die> Verteidiger des Romans lieber über den Inhalt reden als über den Stil,> ist kein Zufall. So großartig Jonathan Littells Recherche auch war,> seine Darstellungsmittel bleiben begrenzt.> > VON DIRK KNIPPHALS> TAZ, 01.03.2008> http://www.taz.de/1/leben/buch/artikel/1/kippe-whiskey-kuenstlerposen/?src=AR&cHash=c4df905343> 
 
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