Reading high literature as an act of resistance in digital times
Mark Thibodeau
jerkyleboeuf at gmail.com
Mon Dec 16 19:57:36 UTC 2019
It's always been true for me, and it's STILL true for me.
Reading a book digitally, or listening to a book on tape, just isn't the
same thing as READING A BOOK.
There's an alchemy to the feel, smell, and balancing heft of a book, to the
swish of the turning pages, to its shifting weight as you progress through
it.
Print isn't dead, nor will it ever die.
Jerky
On Mon, Dec 16, 2019 at 8:04 AM Mark Kohut <mark.kohut at gmail.com> wrote:
> "A yearning for tangible experience which enforces concentration is
> inducing this renaissance of passionate reading."
>
> True for me and most like when I was young, hungering for experience.
>
>
> On Mon, Dec 16, 2019 at 7:40 AM Kai Frederik Lorentzen <
> lorentzen at hotmail.de>
> wrote:
>
> >
> > According to this article, students, "the best and the most passionate",
> > are re-discovering the reading of difficult novels like "Finnegans Wake"
> or
> > "Gravity's Rainbow"! As an act of resistance against digitalization & its
> > discontents (like information overload or the constant constraints to
> judge
> > & to choose). Focusing the concrete book in its materiality offers a
> > concrete & sensual experience in a complex setting: "Secular
> > contemplation". Which implies "l'art pour l'art" instead of professional
> > instrumentalization. Complex literature doesn't force the reader to adopt
> > certain ideological or political positions; the term "resistance" does
> not
> > refer here to the - allegedly - 'critical societal function of
> literature'
> > but to the immediate experience of the reader who is confronted with a
> text
> > which doesn't allow an easy understanding. "The one who reads - and not
> > only casually or to bridge empty moments, but with a focus in terms of
> > literary tradition - keeps open a sphere of freedom". A yearning for
> > tangible experience which enforces concentration is inducing this
> > renaissance of passionate reading. At least the professors - Joao Cezar
> de
> > Castro Rocha (Rio de Janeiro) & Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford) - have
> > observed this among their students. Maybe it's true ...
> >
> > + ... Mittlerweile jedoch lässt sich in ganz verschiedenen Kontexten
> > beobachten, wie die besten und leidenschaftlichsten Studenten einer neuen
> > Generation die Literatur wieder für sich entdecken.
> >
> > Im Gegensatz zu ihren Dozenten, denen mehr denn je daran liegt, eine
> > nüchterne «Professionalität» an den Tag zu legen, stilisieren die jungen
> > Lese-Enthusiasten ihr Verhalten, oft sogar ihr Aussehen gerne mit
> > romantischen Attributen aus der Zeit der Flower-Power und kultivieren
> eine
> > Nähe zu den lebendigen Szenen der literarischen Produktion. Dabei
> > entwickeln sie helle Begeisterung gerade für
> > jene Werke, welche die Professoren aus dem Horizont möglicher
> > Lehrgegenstände ausgeschlossen hatten, weil es ihnen nicht gelingen
> wollte,
> > deren formale und inhaltliche Komplexität in eindeutige Sinngestalten der
> > moralischen und politischen Bildung überzuführen.
> >
> > Das «l’art pour l’art», also die «Literatur um ihrer selbst willen»,
> steht
> > so plötzlich wieder im Vordergrund. Und als unerträglich gilt mit einem
> Mal
> > jeglicher Ansatz zu ihrer Instrumentalisierung.
> >
> > Kein Text wird in diesem Zusammenhang mit intensiverer Bewunderung
> genannt
> > als James Joyce’ «Finnegans Wake», wo Wort für Wort die
> alltagssprachlichen
> > Konventionen verfremdet und in ein neues, den Leser nicht nur auf den
> > ersten Blick überwältigendes Idiom umgearbeitet werden. Ungeachtet der
> > ungestümen Sympathien des Autors für den deutschen Nationalsozialismus
> > faszinieren ähnlich die Prosarhythmen der Romane von Louis Ferdinand
> > Céline, deren Handlungsstrukturen sich in der Komplexität ihrer oft
> > mikroskopischen Beschreibungen verlieren. Oder die Heraufbeschwörung des
> > brasilianischen Inlands in Joao Guimaraes Rosas Epos «Grande Sertao:
> > Veredas» mittels einer Sprache, deren dialektalen Voraussetzungen
> > nichtmuttersprachliche Leser kaum genügen können. Und schliesslich auch
> die
> > Meisterromane des amerikanischen Autors Thomas Pynchon, vor allem
> > «Gravity’s Rainbow», wo historische Details und technisches Wissen eine
> > spannungsvoll undurchdringliche Verbindung eingehen.
> >
> > Wohl weil sie mit dem dominierenden Geschmack ihrer je eigenen Zeiten
> > nicht synchronisiert waren, hat keiner dieser ganz grossen Autoren je den
> > Nobelpreis für Literatur gewonnen. Doch immerhin ehrte das zuständige
> > Komitee vor wenigen Monaten mit Peter Handkes Arbeit den
> > Entwicklungsprozess einer literarischen Sprache, die ebenfalls zur
> > Überforderungstradition der Moderne gehört.
> >
> > Für den Versuch, die bestimmende Modalität der fast plötzlich vollzogenen
> > Rückkehr zu Texten mit Literatur-immanenten Ambitionen zu beschreiben,
> > schlagen wir den Begriff «Widerstand» vor. Er nimmt in diesem Kontext
> eine
> > Bedeutung an, die sich gegenüber der einst von Adorno unterstellten
> > drastisch verschoben hat. «Widerstand» leisten die Texte nun nicht mehr
> im
> > Sinn einer kritischen Funktion, die sie in der Gesellschaft erfüllen
> > sollen; vielmehr bezieht sich das Konzept jetzt auf das unmittelbare
> > Erleben des Lesers. Wer liest – und zwar nicht nur gelegentlich oder zur
> > Überbrückung leerer Momente, sondern mit einem Fokus im Sinne der
> > literarischen Tradition –, hält sich einen Freiheitsraum offen, den ihm
> > niemand streitig machen kann.
> >
> > Denn statt die Texte von der vermeintlich höheren Ebene des Bewusstseins
> > aus zu rezipieren und womöglich über sie zu verfügen, steht ihnen der
> Leser
> > nun in der einen Wirklichkeit gegenüber, zu der sowohl ihre Materialität
> > als auch sein eigener Körper gehören, und diese Welt der Körper wie der
> > Textmaterialität ist eine gegenüber ihrem Aussen geschlossene Welt. Hier
> > spürt der Leser den intellektuellen Widerstand der sprachlichen
> > Einzigartigkeit literarischer Texte (zum Beispiel den Widerstand der
> > Bedeutungsdimensionen oder der Syntax von Friedrich Hölderlins
> > «Rheinhymne») gegenüber allen individuellen Aneignungsbemühungen und
> > zugleich den Widerstand ihrer dreidimensionalen Konkretheit (etwa der
> > Versformen oder der Rhythmen im Vortrag des Gedichts).
> >
> > Am besten beleuchtet die neue Modalität des «Widerstands» von Literatur
> > wohl der Gebrauch desselben Worts unter Physikern und Spezialisten für
> > elektrische Systeme. Dort steht es für strukturelle und materielle
> > Bedingungen, die sich dem Fluss des Stroms entgegensetzen. Mit Widerstand
> > in diesem Sinn als Vorzeichen erscheinen etwa poetische Formen nun als
> eine
> > Dimension, die das Verstehen weiter erschwert, statt Bedeutungsstrukturen
> > klärend nachzuvollziehen oder gar zu unterstreichen, wie man mit dem
> > berühmtem Gymnasiumssatz unterstellte, dass die Formen der Lyrik immer
> > ihrem Inhalt entsprechen.
> >
> > Wie kann man aber erklären, dass ein solches Leser-Erleben permanenter
> > Bemühung, die kaum je an ein Ziel oder zu einer Lösung gelangt, der
> > Literatur als Ersatz ihres verlorenen Glanzes eine neue Aura zu geben
> > vermag? Wir sind überzeugt, dass diese Tendenz mit einer Sehnsucht nach
> > Gegenständen der Erfahrung zu tun hat, welche Konzentration gleichsam
> > erzwingt.
> >
> > Entstanden ist sie wohl, weil elektronische Technologie in ihren
> > institutionalisierten Anwendungsformen uns – erstens – mit einer
> Quantität
> > des Wissens und der Informationen überschwemmt, die wie eine Bewegung
> ohne
> > Anfang und Ende durch unsere Existenzen fliesst. Weder können sich die
> User
> > vor der Sturzflut der Informationen schützen, noch vermögen sie, diese
> > bestimmten Problemen oder Aufgaben zuzuordnen. Und – zweitens –
> > vervielfältigen elektronische Instrumente unsere subjektiven Handlungs-
> und
> > Wahlmöglichkeiten (ob bei der Planung des Wochenendes oder beim Kauf von
> > Büchern), das heisst: Sie verdammen uns zu einer Freiheit und
> Verpflichtung
> > des beständigen Urteilens und Entscheidens.
> >
> > Diese beiden drastischen Veränderungen im Alltagsleben haben uns mehr
> denn
> > je zu reinen Bewusstseinswesen gemacht – und überfordern uns beständig.
> Als
> > Unterbrechung oder gar als Alternative bietet sich der neue Widerstand
> der
> > Literatur an. Mit intellektueller Komplexität und vor allem mit
> materieller
> > Konkretheit erzwingt er tatsächlich Zuwendung. Natürlich ist auch diese
> > Form konzentrierter Lektüre eine Form der Überforderung, doch eine Form
> der
> > Überforderung, welche Aufmerksamkeit vor allem über die Sinne anzieht und
> > steigert, statt zu einem Selbstverlust in ausschliesslicher
> > Bewusstseinsexistenz zu führen ... +
> >
> >
> >
> https://www.nzz.ch/feuilleton/lesen-als-akt-des-widerstands-die-neue-aura-der-literatur-ld.1527479
> >
> > --
> > Pynchon-L: https://waste.org/mailman/listinfo/pynchon-l
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