The reigning champion (Re: Gerald Howard on Delillo's Nobel)
rich
richard.romeo at gmail.com
Thu Apr 2 17:08:21 UTC 2020
sorry, I didnt meant to be flippant, Kai
I just find it strange considering his support for Milosevic and uber
nationalism in Serbia that he would be picked, especially in the current
environment of raising tensions with right-wing populism in Europe. Surely
that must mean something
rich
On Thu, Apr 2, 2020 at 11:33 AM rich <richard.romeo at gmail.com> wrote:
> fwiw, the award is pointless
>
> On Thu, Apr 2, 2020 at 7:13 AM Kai Frederik Lorentzen <
> lorentzen at hotmail.de> wrote:
>
>>
>> Nein. Peter Handke was a very good choice!
>>
>> From Versuch über die Müdigkeit (1989):
>>
>> "Vor mehr als zehn Jahren nahm ich ein Nachtflugzeug von Anchorage in
>> Alaska nach New York. Es war ein sehr langwieriger Flug, mit dem Start,
>> lang nach Mitternacht, von der Stadt am Cook Inlet - in den bei Flut die
>> Eisschollen hochaufgerichtet hinein-, aus dem sie bei Ebbe dann,
>> schwarzgrau geworden, wieder hinaus in den Ozean galoppierten -, einer
>> Zwischenlandung im ersten Morgengrauen bei Schneetreiben in
>> Edmonton/Kanada, einer weiteren Zwischenlandung, mit Kreisen in der
>> Warteschleife, dann Anstehen unten auf der Piste, in der grellen
>> Vormittagssonne von Chicago, der Landung am stickigen Nachmittag weit
>> draußen vor New York. Endlich im Hotel, wollte ich mich sofort
>> schlafenlegen, wie krank - von der Welt abgeschnitten - nach der Nacht
>> ohne Schlaf, Luft und Bewegung. Aber dann sah ich unten die Straßen am
>> Central Park weit von der Frühherbstsonne, in der, wie mir vorkam,
>> festtäglich die Leute sich ergingen, und im Gefühl, im Zimmer jetzt
>> etwas zu versäumen, zog es mich hinaus zu ihnen. Ich setzte mich auf
>> eine Caféterrasse in die Sonne, nah am Getöse und an den Benzinschwaden,
>> noch immer benommen, ja im Innern in ein beängstigendes Wanken gebracht
>> von meiner Übernächtigkeit. Doch dann, ich weiß nicht mehr wie,
>> allmählich?, oder wieder Ruck um Ruck? die Verwandlung. Ich habe einmal
>> gelesen, Schwermütige könnten ihre Krisen überbrücken, indem sie über
>> Nächte und Nächte am Schlafen gehindert würden; die in ein gefährliches
>> Schwanken geratene 'Hängebrücke ihres Ich' würde dadurch stabil. Jenes
>> Bild hatte ich vor mir, als nun in mir die Bedrängnis der Müdigkeit
>> Platz machte. Diese Müdigkeit hatte etwas von einem Gesundwerden. Sagte
>> man nicht: 'Mit der Müdigkeit kämpfen'? - Dieser Zweikampf war zuende.
>> Die Müdigkeit war jetzt mein Freund. Ich war wieder da, in der Welt, und
>> sogar - nicht etwa, weil es Manhattan war - in ihrer Mitte. Aber es kam
>> dann noch einiges dazu, vieles, und eins eine größere Lieblichkeit als
>> das andere. Ich tat, weit bis in den Abend hinein, nichts mehr als
>> sitzen und schauen; es war, als bräuchte ich dabei auch nicht einmal
>> atemzuholen. Keine auffälligen wichtigtuerischen Atemübungen oder
>> Yoga-Haltungen: Du sitzt und atmest im Licht der Müdigkeit jetzt
>> beiläufig richtig. Es gingen ständig viele, auf einmal unerhört schöne
>> Frauen vorbei - eine Schönheit, die mir zwischendurch die Augen naß
>> machte -, und sie alle nahmen mich im Vorbeigehen auf: Ich kam in Frage.
>> (Eigenartig, daß vor allem die schönen Frauen diesen Blick der Müdigkeit
>> beachteten, so wie auch noch manch alte Männer und die Kinder.) Aber
>> keine Idee, daß wir, eine von ihnen und ich, darüber hinaus miteinander
>> etwas anfingen; ich wollte nichts von ihnen, es genügte mir, ihnen
>> endlich einmal so zuschauen zu können. Und es war auch wirklich der
>> Blick eines guten Zuschauers, bei einem Spiel, das erst glücken kann,
>> wenn wenigstens ein solcher Zuschauer dabeisitzt. Das Schauen dieses
>> Müden war eine Tätigkeit, es tat etwas, es griff ein: die Akteure des
>> Spiels wurden besser durch es, noch schöner - zum Beispiel, indem sie
>> sich vor solchen Augen mehr Zeit ließen. Dieser langsame Lidschlag ließ
>> sie gelten - brachte sie zu ihrer Geltung. Dem dergestalt Schauenden
>> wurde von der Müdigkeit seinerseits das Ich-Selbst, das ewig Unruhe
>> stiftende, wie durch ein Wunder von ihm weggenommen: alle sonstigen
>> Verzerrungen, Angewohnheiten, Ticks und Sorgenfalten von ihm abgefallen,
>> nichts mehr als die gelösten Augen, endlich auch so unergründlich wie
>> die Robert Mitchums. Und dann: das selbstlose Schauen wurde tätig weit
>> über die schönen Passantinnen hinaus, bezog ein in sein Zentrum der Welt
>> alles, was lebte und sich regte. Die Müdigkeit gliederte - ein Gliedern,
>> das nicht zerstückelte, sondern kenntlich machte - das übliche Gewirr
>> durch sie rhythmisiert zur Wohltat der Form - Form, soweit das Auge
>> reichte - großer Horizont der Müdigkeit."
>>
>> https://handkeonline.onb.ac.at/node/1518
>>
>> Am 01.04.20 um 18:31 schrieb rich:
>> > ... but man was Peter Handke a terrible choice ...
>>
>>
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